Snowboarden in Israel. Im vergangenen Winter waren Victor Daviet, Sylvain Bourbousson und Fotograf Remi Petit auf einer ungewöhnlichen Reise in Israel. Snowboarden an der Grenze zwischen Krieg und Frieden.
Text: Rémi Petit
Als Snowboard-Fotograf muss man spontan sein, das liegt in der Natur des Berufes. Wetterumschwünge, unerwarteter Schneefall oder Verletzungen sind Faktoren, die sich nicht planen, schwerlich kalkulieren lassen und uns daher immer wieder dazu zwingen, unsere Pläne von einem Augenblick zum anderen umzuschmeißen. Doch dieses Mal wurde diese Bereitschaft wirklich stark ausgereizt, denn ich hatte weniger als einen Tag Zeit zur Vorbereitung, bevor wir in den Flieger steigen würden. So gab es keine Möglichkeit, mich im Detail über das Ziel unserer Reise zu informieren. Ich erwartete, dass wir auf staubigen Straßen durch die Wüste fahren würden, bis wir irgendwann im Nirgendwo bei den Bergen ankommen würden. Wie das im Detail funktionieren und welches Terrain wir vorfinden sollten? Nicht die leiseste Ahnung.
Doch statt einer staubigen und holprigen Landstraße führt uns der vierspurige Highway von Tel Aviv direkt zum Berg Hermon. Das dortige Resort gehört 31 Teilhabern und einer von ihnen schickt seinen Sohn, uns zu begrüßen. Wir sind in Newe Ativ, ein Dorf umsäumt von Olivenbaum-Feldern und einer wilden Landschaft. Rings um die Ortschaft läuft ein Stacheldrahtzaun, an dem in regelmäßigen Abständen Wachtürme aufgestellt sind. Kein Anblick, den wir gewohnt sind und uns ein wenig unbehaglich fühlen lässt. Doch unsere Sorgen bleiben unbegründet.
Am nächsten Tag fahren wir den Berg hinauf und kommen nach Majdal-al-Shams, wo uns ein weiterer Zaun erwartet, den wir passieren müssen. Dahinter liegt militärisches Sperrgebiet. Und das Resort, unser Ziel. Wir bezahlen 12 Dollar pro Person und dürfen das Gelände betreten. Noch ist es geschlossen, doch es gibt eine alte Pistenraupe, die uns auf den Gipfel bringen kann. Nicht ohne militärische Begleitung, versteht sich. Die Waffen der Soldaten sehen ein wenig wie Spielzeug aus, sind es aber natürlich nicht. Der Gipfel des Hermon ist ein strategisch wichtiger Punkt, von dem aus man bis nach Damas, Gaza und Beirut blicken kann. Obendrein ist der Berg mit 2.814 Metern Höhe gleichzeitig die Grenze von drei Staaten: Libanon, Syrien und Israel. Die ständige Präsenz des Militärs ist ebenfalls sehr ungewohnt. Bei uns in den Alpen ist man schließlich höchstens von Wintersport-Touristen umgeben, im Backcountry sogar oft ganz alleine.
Snowboarden in Israel auf dem Mount Hermon
Am zweiten Tag öffnet das Resort. Vor dem Schlagbaum der Militärs hat sich bereits ein fünf Kilometer langer Stau gebildet. Bei Sonnenaufgang beginnen die Menschen, ihre Morgengebete zu sprechen, während sie darauf warten, eingelassen zu werden.
Es herrscht keinerlei Argwohn unter ihnen, obwohl die unterschiedlichsten Glaubensrichtungen vertreten sind. Kaum sind wir an der Talstation des Gebietes angekommen, befinden wir uns im völligen Durcheinander. So viele Menschen, die auf ihren Ski durcheinander rutschen oder es versuchen, sich gegenseitig über den Haufen fahren, hinfallen und wieder aufrappeln. Doch alle sind glücklich und trotz des Chaos gibt es keinen Ärger. Es sieht so aus, als hätten hier an diesem Ort Muslime und Juden ihre Steine, Waffen und Kriegsgesänge gegen Schneebälle und Gelächter getauscht.
Snowboarder die unbekannten Wesen -.Snowboarden in Israel
Snowboarden ist kein allzu bekannter Sport in diesem Land, soviel steht fest. Wir ernten eine Menge neugieriger und überraschter Blicke und das, obwohl einige der Menschen, die hier Skifahren, schon mehrmals in den europäischen Alpen waren. Durch die vielen Besucher ist das Gebiet schnell verfahren, doch das Terrain abseits der Pisten ist unberührt geblieben. Die Erklärung ist einfach. Wie schon erwähnt, ist das gesamte Gebiet am Berg Hermon Militär-Gebiet und sämtliche Ausflüge ins Backcountry somit strengstens verboten. Schade. Denn was wir von den Pisten aus erspähen können, weckt unsere Neugierde. Doch leider werden wir nicht dazu kommen, dieses Terrain zu erkunden. Vielleicht dann, wenn es in dieser Gegend endlich wirklichen Frieden gibt.
Wir verbringen drei Tage im flüchtigen Powder am Berg Hermon, bevor wir uns auf den Weg in Richtung Süden aufmachen. Für die nächsten Stunden fahren wir durch das Westjordanland. Ein wunderschöner Landstrich, bei dessen Anblick man leicht vergisst, welcher Konflikt hier schwelt. Als wir an einem hohen Masten mit im Wind flatternder palästinensischer Fahne vorbeikommen, werden wir mit einem Ruck wieder in die Realität zurückgeholt und uns wird bewusst, dass hier seit vielen, vielen Jahren kein echter Frieden mehr herrscht.
> Ein Rundgang durch Jerusalem
Jerusalem
Einige Stunden später erreichen wir Jerusalem und lassen unser Auto auf einem Parkplatz zurück, der sich direkt neben dem Eingang zur Altstadt befindet. Wir tauchen in die Stadt ein und lassen uns treiben. Das arabische Viertel zu entdecken ist wunderbar und der traditionelle Basar, der hier seit einigen hundert Jahren abgehalten wird, nimmt uns mit offenen Armen in Empfang. Die Menschen hier sind freundlich, interessiert und wir kommen leicht ins Gespräch. Nur dann, wenn sich eine Soldaten-Streife durch die Menge schiebt, schlägt die Stimmung für einen kurzen Moment um und wir bekommen ein ungutes Gefühl. Sobald die Wachen wieder aus dem Blickfeld der Leute verschwunden sind, kehrt auch sofort die ungezwungene Atmosphäre zurück. Mit einem Lächeln im Gesicht werden uns einige Gläser Tee serviert.
Keiner von uns weiß, wie sich die Lage in diesem Teil der Erde entwickeln wird. Schließlich schwelt der Konflikt zwischen den verschiedenen Parteien schon so lange und bricht immer wieder in Gewalt aus. Doch nach unserem Aufenthalt ist uns auch wieder bewusst geworden, dass man, um sich wirklich eine Meinung über das Leben der Menschen dort zu bilden, hinfahren und sie kennenlernen muss. Und wir haben mehr als einmal erlebt, dass im täglichen Leben die unterschiedlichen Glaubensrichtungen oftmals eine viel geringere Rolle spielen, als wir hier im Westen oft glauben. Und hoffentlich erleben wir noch die Zeit, in der die militärischen Sperrgebiete der Vergangenheit angehören und wir mit dem Snowboard diese wunderbare Landschaft noch mehr erkunden können.