Mervin – die Mutterfirma hinter Lib Tech und Gnu – hat eine bunte und bewegte Geschichte. Wir haben uns mit Pete Saari zusammengesetzt, um aus erster Hand mehr über die Company zu erfahren.
Eigentlich waren wir mit Mervins Co-Gründer Pete Saari in München zum Interview verabredet, doch Sales-Meetings dauern eben oft länger als geplant. Im Anschluss fuhren die Jungs auf den Stubaier Gletscher und wie es der Zufall so wollte, waren wir ebenfalls vor Ort. Also nutzten wir die Gelegenheit für ein Interview auf 2.300 Metern über Mervins Geschichte und ihren ökologischen Produktionsansatz. Pete ist ein unglaublich netter Kerl und hat eine Menge zu erzählen, was nicht weiter verwunderlich ist, denn die Geschichte des Brands, das er und Mike Olsen Ender der 80er gründeten, ist einzigartig.
Mike Olsen und du habt gemeinsam Mervin gegründet. Wie habt ihr euch kennengelernt?
Wir haben uns in den 1980ern beim Surfen kennengelernt. Zu dieser Zeit gab es bei uns in Washington keine Surf-Szene, das spielte sich alles in Kalifornien ab. Es gab nur ein paar wenige Vietnam-Veteranen und wir waren die einzigen Kids. Ein gemeinsamer Freund, Mervin, machte uns miteinander bekannt. Es gab auch keine Surf-Shops, also fingen wir an, unsere eigenen Boards zu shapen. Mike hatte sich schon länger mit dem Shapen beschäftigt, Mervin und ich waren nicht besonders gut darin.
Ihr habt also eure Company nach eurem Freund benannt?
Am Anfang kannten wir ihn nur als “Win”, aber irgendwann fanden wir heraus, dass sein vollständiger Name “Mervin Winston Lesley III”. Danach nannten wir ihn nur noch Mervin. Außerdem war er der erste aus unserer Crew, der heiratete. Der Rest von uns war nur mit Arbeiten und Shredden beschäftigt. Er verliebte sich in dieses wunderbare Mädchen und begann ein neues Kapitel in seinem Leben. Zum Gedenken haben wir uns entschieden, die Firma nach ihm zu benennen. [grinst]
Ihr habt beide die Schule abgebrochen, um eure Firma zu gründen. Wie haben eure Eltern und Freunde damals auf eure Pläne reagiert?
Mikes Mum wollte, dass er in der Schule bleibt. Sein Dad war Pastor, aber ziemlich locker und unterstützte ihn. Mein Dad war College-Professor, meine Mutter Lehrerin, sie waren zunächst nicht sehr begeistert. Aber sie haben mich gelassen, weil sie gesehen haben, wie ernst es mir war. Mein Traum war es immer gewesen, Ski zu bauen und als ich mit Mike die Möglichkeit bekam, Boards zu bauen, wurde der Wunsch noch stärker, weil es da etwas Neues gab, das uns faszinierte. Dennoch waren sie zu Beginn natürlich skeptisch, doch als sie sahen, wie hart wir arbeiteten und nicht rumhingen, Drogen nahmen oder Ähnliches, war es okay für sie.
Ihr wurdet in euren Anfangsjahren wieder und wieder vor neue Herausforderungen gestellt, es gab verschiedene Zwischenfälle mit Distributoren und Partnern, die euch immer wieder zurückgeworfen haben. Diese Geschichten alleine würden schon ein ganzes Interview füllen. Eine Frage aber bleibt: Was hat euch geholfen, durch diese Zeit zu kommen, weiterzumachen, nicht aufzugeben?
Es gab immer wieder Momente, in den wir dachten: Was machen wir hier eigentlich? War es das jetzt für uns? Eine Zeit lang war uns auch nicht klar, ob der Sport überleben würde, da die Resorts sich weigerten, Snowboardern den Zutritt zu gewähren. Das änderte sich glücklicherweise schon bald und auch unsere Zuversicht, dass Snowboarden bleiben würde. Was uns immer weitermachen ließ, war unsere Entschlossenheit und große Leidenschaft, unsere Liebe für den kreativen Prozess. Es waren interessante Zeiten, wir machten Entwürfe, bauten und testeten sie, aber es gab niemanden, der sagen konnte, was richtig und falsch war. Die andere Sache war zugegeben Verzweiflung, denn wir wollten nichts anderes machen. Wenn du jung bist und für eine Sache brennst, gibt es nichts, was dich davon abhält, deinen Weg zu gehen. Mike ist absoluter Optimist und Genie, ich bin eher der entschlossene Dickkopf. Die Kombination unserer beiden Charaktere hat uns wahrscheinlich so lange durchhalten lassen.
Ihr produziert eure Boards seit Beginn in den USA. Habt ihr im Laufe der Jahre nie darüber nachgedacht, die Produktion in ein anderes Land zu verlegen, um sie billiger zu machen?
Zum einen lag uns der tatsächliche Bau der Boards zu sehr am Herzen, von Anfang an war es uns wichtig, selbst Hand anzulegen. Wir lieben diese Arbeit und sie an jemand anderen zu geben, gefiel uns nicht. Ein anderer Punkt ist, denn wir haben mit externen Produktionen experimentiert, dass wir keine Kontrolle darüber hatten, ob die Boards tatsächlich nach unseren Vorgaben gebaut wurden. Als wir es ausprobierten, bekamen wir Boards zurück, die viel zu steif und schwer waren und nicht so funktionierten wie sie sollten. Wir merkten also schnell, wie wichtig es war, dass wir die Kontrolle über den Produktionsprozess hatten und es uns jederzeit möglich sein musste, vor Ort Änderungen vorzunehmen.
An diesem Punkt müssen wir das Interview für eine Runde Schnaps unterbrechen, die uns Henne, der Marketing Manager für Europa, auf den Tisch stellt. Na denn, Cheers!
Wo waren wir? Ah ja, genau. Die Kontrolle über die Produktion zu behalten war enorm wichtig für uns. Hinzu kam, dass wir, als wir anfingen uns mit ökologischen Materialien zu beschäftigen, feststellten, dass viele dieser Materialien tatsächlich günstiger waren als die herkömmlichen. Das war eine interessante Erfahrung. Über die Jahre bekamen wir von verschiedenen Seiten immer wieder Druck, unsere Produktion ins Ausland zu verlegen, um sie günstiger zu machen. Doch wir konnten jedes Mal beweisen, dass wir es von hier aus fast genau so günstig machen konnten. Außerdem haben wir festgestellt, dass unsere Kunden keine billig produzierten Boards haben wollen. Sie wollen Highend-Boards mit einer Mervin-Story. Unser Ziel war es nie, im Niedrigpreisbereich mitzuspielen, wir haben uns schon immer im mittleren bis oberen Segment gesehen. Aber es war wichtig, dass wir es ausprobiert hatten, denn somit hatten wir die Beweise in der Hand, die für die Produktion hier bei uns sprachen.
Auf dem Weg zu einer möglichst umweltverträglichen Produktion war die Entwicklung eines eigenen Druck-Prozesses für die Grafiken von großer Bedeutung. Wie seid ihr darauf gekommen?
Wir wuchsen damit auf, Polyester-Surfboards zu bauen. Die sind jedoch extrem giftig, also wechselten wir zu Epoxid. Als wir anfingen Snowboards zu bauen, wollten wir von Anfang an möglichst saubere Epoxide verwenden. Als es dann ums Bedrucken ging, standen uns zunächst nur hochgiftige Tinten zur Verfügung. Zunächst ließen wir extern drucken, doch mit unserem Anspruch, über jeden Schritt der Produktion Kontrolle zu haben, wollten wir auch den Druck zu uns holen. Das wollten wir aber nur dann machen, wenn es eine Möglichkeit gäbe, auf diese giftigen Materialien zu verzichten. Mike begann sich in die ganze Sache einzuarbeiten und zu experimentieren und irgendwann gelang ihm der Durchbruch. Bis heute sind wir die einzigen, die diese Druck-Technologie verwenden, bei der absolut kein Giftmüll entsteht. Das war ein großer Erfolg, denn nun konnten wir endlich unsere Boards selbst bedrucken. Normalerweise ist der giftigste Ort in einer Snowboard-Fabrik die Druckerei. Die Tinten werden nie völlig aufgebraucht, man muss für ihre Entsorgung bezahlen, sie stinken und sind gesundheitsschädlich. Viele der Leute, die bei uns arbeiten, sind gute Freunde von uns, das ist auch ein Grund für unser Bestreben, möglichst umweltschonend zu produzieren. Wir wollen ja nicht unsere eigenen Freunde vergiften!
Ihr recycelt nicht nur eure ganzen Holzspäne, die – weil unbelastet – zur Kompostierung dienen, sondern auch alle Kartonagen und was sonst bei der Produktion anfällt. Ihr nutzt auch jedes Stück Holz so gut wie möglich aus und produziert nur sehr wenig Überschuss. Woher kommt dieser stark ausgeprägte ökologische Antrieb?
Als wir aufwuchsen, waren wir ständig in der Natur. Und wir wurden in den 70ern groß. Es gab die erste große Energiekrise, die ersten großen Ölkatastrophen mit massiven Verschmutzungen und als Resultat die erste große Öko-Bewegung. Als ich zum ersten Mal ein Surfboard shapte, bekam ich von den giftigen Materialien so heftige Kopfschmerzen, dass ich für einen Tag ins Krankenhaus musste. Danach war uns klar: So wollten wir nicht arbeiten, es musste andere Möglichkeiten geben. Aber es gab auch einen ganz unökologischen Grund, warum wir diesen Weg eingeschlagen haben: Wir hatten so wenig Geld am Anfang, also waren wir gezwungen, so effizient wie möglich zu arbeiten. Das bedeutete, die Materialien, die wir zur Verfügung hatten, so gut es ging auszureizen. Du hebst jeden Schnipsel auf und verwendest ihn für das nächste Board. Am Ende des Tages läuft alles darauf hinaus, dass du dich bei dem, was du tust, gut fühlen willst. Du willst in einer gesunden Umgebung arbeiten und du willst, dass das auch in Zukunft so bleibt.
Das hoffen wir auch. Danke für deine Zeit, Pete!
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