Gletscherehe Pitztal – Ötztal: die geplante Gletscherfusion von Pitztal und Ötztal hat ein extremes Spaltpotential. Klima und Naturaktivisten aus der ganzen Welt empören sich über das geplante Millionenprojekt. Leider hat die Diskussion über die Umweltverträglichkeit der Geltscherehe schon lang nichts mehr mit einem sachlichen Diskurs gemeinsam.
Leider wird kaum eine Debatte verlogener und irrationaler geführt als eben diese um Umwelt und Klima. Es erinnert schon ein wenig an Marktschreierei: unter Vortäuschung falscher Tatsachen wird eine Massenhysterie katalysiert (der linke Fernerkogel müsse weichen, heißt es). Und am Schluss wirkt es kaum so, als wolle jemand wirklich die Welt retten, auf kurze Distanz geht es ja um den eigenen Vorgarten, den eigenen Lebensstil und nicht zuletzt um die eigene Agenda.
Oft sind es diese grünen Highflyer, die heute gegen die Gletscherehe Pitztal protestieren und morgen ein Selfie vom Stubaier Gletscher posten und gleichzeitig ihren Sprizz aus einem Plastikbecher schlürfen.
Dürfen sich aktive Wintersportler beschweren?
Was uns aber vor allem überrascht ist, wie lautstark sich aktive Wintersportler gegen die Gletscherehe Pitztal – Ötztal aussprechen – umweltbesorgte Umweltsünder. Denn wer im Jahr seine 30 Skitage, sei es abseits oder auf präparierten Pisten genießt, ist nämlich nicht weniger Umweltsünder, als der Investment Banker, der morgens von Haidhausen mit dem SUV nach Schwabing fährt und sieben mal im Jahr ein Flugzeug besteigt. Denn wenn wir diesen Zusammenschluss aufs Schärfste verurteilen, könnten wir uns zeitgleich über einen Rückbau bereits existenter Skigebiete unterhalten.
Umweltbesorgte Umweltsünder
Skifahren ist schlecht für die Umwelt, das steht außer Frage. Wenn man die Pitztaler Pistenkilometer zum Beispiel mit dem Zillertal vergleicht, wären diese selbst nach einem Zusammenschluss mit dem Ötztal noch marginal. Nun leben aber diese Täler ausschließlich vom Tourismus, alternative Einkommensquellen sind mehr oder weniger vernachlässigbar gering. Nicht umsonst zählten, vor Erschließung der Skigebiete, die Tiroler Täler zu den ärmsten Regionen Europas.
Ein Abschied vom Wintersporttourismus wäre eine Reise zurück in die Steinzeit. Nun hat das Pitztal nicht die flachen Almwiesen wie das Zillertal, eine Erschließung der meisten Berge ist für den Skibetrieb hier kaum möglich. Seit den 2000ern geht es wirtschaftlich bergab und die jungen Leute verlassen das Tal und suchen ihr Heil an anderen Orten.
Wir haben uns aus gegebenem Anlass mit dem lokalen Bergführer Raphael Eiter über die Gletscherehe Pitztal – Ötztal unterhalten.
Interview Raphael Eiter zur Gletscherehe Pitztal – Ötztal
Die Verbindung zwischen Ötztal und Pitztal ist schon seit 20 Jahren im Gespräch. Warum schlägt das Thema ausgerechnet jetzt so hohe Wellen?
Fridays for Future und Klimaschutz ist ja momentan ein richtiger Hype. Vor ein paar Jahren waren es die Flüchtlinge, jetzt ist es das Klima und da passt so ein Projekt nicht gerade ins Bild.
Die Berichterstattung über die Bauvorhaben sind, sagen wir mal, phantasievoll. Klär uns bitte auf, was genau geplant ist. Bleibt der linke Fernerkogel erhalten?
Der Fernerkogel bleibt. Am Fernerkogel Joch östlich des Gipfels wird eine Gratspitze für die neue Bergstation begradigt. Die Projektbetreiber reden von 36 Metern. Die „Seele der Alpen“ hat diesen Fels als ihren heiligen Gral auserkoren und ihn mal schnell zum Linken Fernerkogel benannt.
Man muss schon sagen, dass die Gegenargumente zu diesem Projekt schon sehr reißerisch, ja hetzerisch formuliert sind. Da wird von „Stoppt den Gletschermord“ gesprochen, „Ganzer Berg wird gesprengt“ usw. Gerade die Doppelmoral vom WWF macht mich sehr sauer. Wenn man hier mal ein wenig recherchiert, wie sie ihre „Klimaziele“ erreichen wollen, da kann einem wirklich schlecht werden.
Als Bergführer ist eine intakte Natur dein größtes Anliegen. Wie schätzt du die Umweltverträglichkeit von dem Multimillionen Projekt ein?
Es ist ein großer Eingriff, keine Frage. Aber die Umweltverträglichkeitsprüfung hat 12.000 Seiten und ist in 46 Bereichen gegliedert. Es ist eines der bestgeprüften Projekte in der Geschichte des Seilbahnbaus. Da wird nichts dem Zufall überlassen und keine Kosten und Mühen gescheut, das Projekt minimalinvasiv zu gestalten.
Mir tut es etwas um den Linken Fernerkogel leid, da dieser für uns ein super Skitouren Berg ist. Man würde dann in einer halben Stunde von der Bergstation auf den Gipfel laufen können. Allerdings haben wir Bergführer genug Ausweichmöglichkeiten. Hier geht es aber um die Zukunft einer ganzen Region und nicht um mich als Einzelnen.
Warum ist dieses Projekt gerade für die lokale Wirtschaft im Pitztal beinahe alternativlos?
Im Pitztal ist erst in den 80er Jahren der Tourismus eingezogen. Davor war es ein ärmliches Bauerntal. Dann kam mit dem Gletscherbau der große Aufschwung, der aber seit den 2000er Jahren stagniert. Seitdem befinden wir uns in einer Abwärtsspirale. Die Auslöser waren die fehlende Infrastruktur sowie der marktwirtschaftliche Wettbewerb.
Andere Regionen haben investiert und sich weiterentwickelt. Wir sind stehen geblieben. Eines ist klar: Der kleine Vermietsbetrieb kann die Trendwende nicht herbei führen. Da brauchts den Großen (Pitztaler Gletscherbahn) der investiert, damit es der Kleine dann auch wieder tun kann. Wenn ich jetzt zur Bank gehe und sage, dass ich mein Hotel renovieren/ausbauen möchte, schicken sie mich nach Hause und sagen: Bei der Auslastung und bei den Zimmerpreisen wird das nicht gehen.
Wir erhoffen uns durch den Zusammenschluss, dass die Auslastung der Betriebe steigen, denn davon hängt im Tal alles ab. Weihnachten, Fasching und Ostern ist die Auslastung in Ordnung, aber dazwischen sind massive Löcher.
Viele Menschen beteiligen sich an der Diskussion obwohl sie keinen Einblick haben. Was verstehen Auswärtige nicht an der Situation?
Sie sehen nur die Headlines und haben schon ihre Meinung! Sie verstehen unsere Lebenssituation nicht. Wir wohnen in einem abgeschiedenem Seitental in dem es keinen normalen Supermarkt, Apotheke, Tankstelle, Heimwerkergeschäft oder ganzjährige Restaurants gibt. Für jeden Liter Milch oder jede Schraube bist du satte drei Stunden unterwegs. Im Mai, Juni kannst du nicht mal öffentlich aufs Klo gehen.
Im Sommer ist unser Tal mittlerweile so gut wie ausgestorben. Es leben zu wenige Einheimische hier (viele junge wandern deswegen aus) und es kommen zu wenig Gäste, als dass sich der Ausbau der Infrastruktur lohnen würde. Darum sind wir dafür, damit sich einfach die Gesamtsituation für Gäste und Einheimische verbessert.
Der Eingriff in die Natur ist groß, aber in Relation zu der Situation im Tal gerechtfertigt. Schon allein wegen der alten Zubringerbahn. Die Bahn muss so oder so ersetzt werden. Sie ist schon lange nicht mehr zeitgemäß, da würde sich die Erweiterung einfach anbieten.
Die Gletscher schmelzen, aber die Höhe bleibt. Lieber investiert man in hoch gelegene Gebiete, wo das Skifahren Zukunft hat, als in Schneekanonen auf 500m Seehöhe.
Ob das Projekt kommt oder nicht ist dem Gletscher ziemlich Wurst. Der wird sich so oder so im gleichen Tempo verabschieden. Irgendwann wird es kein Gletschergebiet, sondern ein hoch gelegenes Skigebiet sein. Und wenn jetzt nicht von einem auf den anderen Tag der Skitourismus wegbricht, wovon ich nicht ausgehe, hat das Projekt Zukunft.
Es werden auch nur 0,6 % der Gesamtgletscherflächen der beiden Gemeinden für das Skifahren genutzt. Alles andere bleibt unberührtes Naturschutzgebiet. Wenn jemand mal die richtigen Ötztaler Alpen sehen will, dann soll er/sie mit mir auf eine Skitour gehen und dies nicht zwischen den beiden Gletscherskigebieten suchen.
6. Wie ist die Stimmung im Tal? Spricht sich einer Mehrheit Der Locals Für das Projekt aus?
Die Stimmung ist gedrückt, die Einheimischen haben das Gefühl, dass auf ihren Rücken die Klimakrise der Welt ausgefochten wird. Die meisten sind für das Projekt, da es für uns außer dem Tourismus keine Alternativen gibt. Wir brauchen eine Weiterentwicklung im Tal.