Passend zu unserem Heftthema „All Star“ präsentiert euch in diesem Fotofolio Dean Gray, besser bekannt als „Blotto“, eine Auswahl seiner Fotos aus den letzten zwei Jahrzehnten. Uns fällt kein anderer Fotograf ein, der über einen so langen Zeitraum „On top of the Game“ in diesem Beruf unterwegs ist wie der US-Amerikaner.
Dean “Blotto” Gray Fotofolio & Interview
Interview & Text Sebastian Gogl
Blotto ist nicht nur ein begnadeter Fotograf, er lebt und liebt Snowboarden, was er auf eindrückliche Art und Weise hier im Fotofolio beschreibt. Und ja, wer sich in der Snowboard-Fotografie versuchen möchte, braucht keine Kamera. Wie das funktionieren soll, erzählt der Größte seines Fachs hier im Interview.
Als du deine Fotos für dieses Fotofolio geschickt hast, meintest du, dass bei der Durchsicht der Bilder viele gute Erinnerungen aus den letzten 20 Jahren in dir hochkamen. Was ist eine dieser Erinnerungen, die es hier lohnt zu erzählen?
Als wir den „Beaver Dam“ Kicker fanden, war dieser nicht fahrbar. Die Natur hatte einen perfekten Absprung mit einer idealen Flugkurve und einer steilen Landung geschaffen, aber an der Stelle, wo der Inrun verlaufen sollte, war ein großes Loch. Fredi Kalbermatten, Marko Grilc, Gigi Rüf und die Filmcrew beschlossen, dass wir eineinhalb Tage lang Schnee in dieses Loch schaufeln sollten, denn der Kicker sei diesen Aufwand wert. Und diese Schufterei hat sich wirklich gelohnt, denn die Kicker Session hielt, was sie versprach. Die Aufnahmen waren sensationell und wir fuhren nach dem Shooting fertig, aber mit einem guten Gefühl und richtig gutem Footage nach Hause.
Diese Erinnerung beschreibt gut, was Snowboarder tun, um etwas zu erreichen, wenn sich ihnen eine Gelegenheit bietet – sie ziehen es durch, egal was passiert. Ich höre, sehe und erlebe diese Art zu leben jeden Tag, es ist der einzige Weg, den wir kennen … Die Bereitschaft, eine Lösung zu finden, nachdem man ein Problem erkannt hat, und es zum Laufen zu bringen, wie bei diesem „Beaver Dam“ Kicker. Das ist die richtige Einstellung, die man im Leben braucht: Sei ein Teil der Lösung, nicht des Problems.
Die vielen Leute, mit denen ich das Glück hatte und habe zusammenzuarbeiten, haben alle gemeinsam, dass sie ein einzigartiges und erfülltes Leben führen wollen, dass sie etwas erreichen wollen und dass harte Arbeit der wichtigste Wert dabei ist: Die Entschlossenheit, der Mut und die Bereitschaft, etwas zu erreichen! Für mich ist genau diese Einstellung Ansporn, das Gleiche zu tun und ein „Nein“ nicht als Antwort zu akzeptieren.
Du bist einer der wenigen Fotografen, die über zwei Jahrzehnte den Job des Snowboard-Fotografen Vollzeit ausgeübt haben. Dein Arbeitsplatz sind die Berge dieser Erde. Wie müssen wir uns das Leben von Blotto vorstellen?
Ich bin echt froh, dass ich Skaten und später Snowboarden für mich entdeckt habe. Diese Sportarten gaben mir ein Gefühl von Heimat und eine positive und kreative Community, der ich angehören konnte. Jeder junge Mensch muss herausfinden, was er für sein Leben will. Ich bin damals eher zufällig ins Skaten reingerutscht, fand dort aber schnell gute Freunde und eine gesunde körperliche Betätigung.
Als ich das Snowboarden entdeckte, war ich direkt süchtig! Es erinnerte mich ans Skaten, wo wir immer auf der Suche nach dem nächsten Abenteuer oder der nächsten Herausforderung waren. Auch der typische DIY-Geist, aber eben alles in den verschneiten Bergen auf der Suche nach neuen Spots zum Shredden, hat mir gefallen. Wenn ich es mir genau überlege, hat mir Actionsport völlige kreative Freiheit und Selbstverwirklichung ermöglicht, zuerst als Hobby, dann professionell hinter der Kamera.
Beim Snowboarden wurde ich tatsächlich gesponsert, aber mir war klar, dass ich nicht das Zeug hatte, um ganz oben mitzufahren. Trotzdem ließ ich mich nicht entmutigen, denn es gab viele Möglichkeiten, dieses Leben zu leben, auch wenn ich kein Pro sein sollte. Ich wollte auf jede erdenkliche Art und Weise am Snowboarden teilhaben, also blieb ich dabei und wurde schließlich Coach bei Windells, gründete eine Firma, arbeitete im Management und letztlich führte mich mein Weg zur Fotografie. Durch all diese Erfahrungen und die dadurch entstandenen Kontakten wurde ich 2003 hauptberuflicher Fotograf. Seit diesem Augenblick stehe ich auf dem Gaspedal. [lacht]
Ich fotografiere jetzt seit zwei Jahrzehnten Snowboarder, dokumentiere Amateure und Pros bei Wettkämpfen, beim Filmen und im Leben. Viele von uns haben ihre Zeit abseits der Piste schon immer mit der Gestaltung von Kunst und Scrapbook-Seiten verbracht. Für mich ist das ein meditatives Hobby, bei dem man Tagebucheinträge schreibt, zeichnet und malt eine tolle Möglichkeit, um mit Freunden zusammenzuarbeiten und gleichzeitig ein Stück persönliche Geschichte zu kreieren, auf das man zurückblicken kann. Im Laufe der Jahre hat das Scrapbooking zu ernsthafteren Malprojekten und zahlreichen Kooperationen geführt, bei denen Kunst und Fotografie und manchmal auch beides im Mittelpunkt stehen. Wenn ich nicht reise und fotografiere, widme ich mich der Malerei, was vor allem im Sommer der Fall ist.
Viele Fotografen haben dich als „kreativen Motor“ beschrieben, der die Snowboard-Fotografie immer wieder neu inspiriert und so die Bildsprache unseres Sports maßgeblich geprägt hat. Hast du die Bilder, die du fotografieren möchtest, schon vor dem Shooting im Kopf oder lässt du dich am Berg während der Shootings von deiner Umgebung inspirieren?
Ich sage Danke an alle, die mich und meine Arbeit so sehen und weiß das wirklich zu schätzen! Es freut mich, wenn ich durch meine Fotos einen Beitrag zur Snowboard- Community schaffen und die Freude am Snowboarden so verbreiten kann.
Bei gebuchten Fotoshootings checke ich zuerst die Location, wer als Fahrer dabei ist und was der Kunde wünscht, um Klarheit darüber zu bekommen, welche Art von Fotografie der Kunde sucht und welche Fotoausrüstung die richtige für das Shooting ist. Die Wetterbedingungen und die Schneelage schaue ich mir danach nach an. Wichtig ist auch, ob wir uns flexibel nach dem Schnee richten können oder ob die Location und der Zeitpunkt festgelegt sind.
Wenn ich diese Fakten kenne, kann ich mir ein Bild machen und planen, welche Art von Fotos wir höchstwahrscheinlich aufnehmen werden. Mit einer guten Recherche oder einem Rückblick auf frühere Erfahrungen in diesem Gebiet kann ich mir einen guten Überblick über jeden Ort verschaffen, was sehr hilfreich ist, um die eigenen Erwartungen im Zaum zu halten. Sobald ich vor Ort angekommen bin und die Bedingungen genau beurteilt habe, kommen einem immer wieder brandneue Ideen, die ich dann mit den bisherigen Plänen verbinde und in die Tat umsetze. Egal, wie viel man bei der Planung eines Fotoshootings bedenkt, es wird immer etwas Unerwartetes passieren – das gefällt mir!
Eine Ausbildung zur Snowboard-Fotografie gibt es nicht. Wie bist du in diesen Job reingerutscht?
Als ich in den späten 1990er-Jahren mit Ethan Fortier bei Technine arbeitete, war sein Vater CEO des Unternehmens. Eines Tages setzte er sich mit uns zusammen und sagte, dass wir von nun an für das gesamte Marketing verantwortlich seien, da nicht genug Geld vorhanden sei, um Auftragnehmer für die Erstellung von Websites, die Gestaltung von Katalogen und die Bezahlung von Fotos zu engagieren.
Im Grunde genommen sagte er Ethan und mir, dass wir lernen müssten, wie man Fotoshootings organisiert, Bilder macht und diese Assets für die Erstellung von Markierungsmaterialien verwendet. Wir waren begeistert von dieser Gelegenheit, denn wir waren gezwungen, über Nacht Fotografen und Designer zu werden. [lacht] 1999 wurde ich von Burton Snowboards als Roadmanager eingestellt, wozu auch gehörte, dass ich das Team auf seinen Reisen rund um die Welt begleitete und fotografierte. Im Jahr 2003 erhielt ich die Möglichkeit, Hausfotograf zu werden, nachdem Kevin Zacher sich in die kommerzielle Welt verabschiedet hatte, was ich annahm und bis zum Jahr 2020 innehatte.
Würde es Snowboard-Fotografie alsStudiengang geben, würde es keinen besseren Professor als dich geben.Welche Ratschläge würdest du deine Studenten mit auf den Weg geben?
Das Erste, was ich sagen würde, ist, dass man sich keine Gedanken über die Kameraausrüstung machen sollte. Wenn jemand ein echtes Interesse an der Snowboard- Fotografie hat, reicht ein Smartphone, mit dem man seine Freunde beim Snowboarden dokumentiert. Dabei lernt man genau, wie man eine Beziehung zu einem Motiv aufbaut und wie sich die Freunde vor der Kamera bewegen. Ich kann gar nicht genug betonen, wie wichtig das in der Fotografie ist. Wer es schafft, Motiv und Fahrer miteinander zu verbinden, an sein Talent und seine Leidenschaft glaubt und die Resultate immer besser werden, der wird irgendwann herausfinden, welche Kameraausrüstung die richtige ist.
Wer es ernst mit der Snowboard-Fotografie meint, muss im Winter allerdings in die Berge ziehen. Dort lernt man immer Leute kennen, die beim Snowboarden weiterkommen wollen und Fotos und Videos brauchen. Das ist die perfekte Kombination für einen jungen Enthusiasten, weil er lernt, wie man fotografiert, während der Snowboarder dasselbe mit seinem Riding Level macht. Je besser sie werden, desto besser wird auch der Fotograf. Das führt unweigerlich dazu, dass man Gleichgesinnte trifft, die auf demselben Weg sind, die reisen und zu Contest wollen und die Fotoshootings brauchen. So können alle zusammen lernen und zusammen in ihrem Tun und Schaffen wachsen.
Mit zunehmender Erfahrung wird man herausfinden, was die eigene kreative Vision ist und wie viel Geld man für die Ausrüstung ausgeben muss. Fotografie ist eine ständige Neuerfindung des eigenen Handwerks. Das Gehirn sollte ganztägig eingeschaltet sein, um die kreative Vision zu erkennen, um Ideen zu entwickeln, sie zu organisieren und zu präsentieren. Dieser Job bringt immer Investitionen in Fotoausrüstung, Reisekosten und viel persönliche Zeit mit sich, so funktioniert dieses Spiel eben.
Lass uns das Thema wechseln. Auf dem Cover dieser Ausgabe ist Gigi Rüf zu sehen, den du 2008 im Gletschereis wunderbar in Szene gesetzt hast. Mit Gigi verbindet dich allerdings nicht nur der Job. Soweit wir informiert sind, bist du der Patenonkel seines älteren Sohnes. Wie würdest du eure Freundschaft beschreiben?
Eine meiner ersten Aufgaben bei Burton war es, Teamfahrer für die von ihnen gesponserten Snowboardfilme zu finden und dort unterzubringen. Zu dieser Zeit nahm ich an einem Seven-Fotoshooting [ehemalige Burton-Produktlinie, Anm. d. Red.] in Österreich teil und traf Gigi zum ersten Mal. Wir kamen ins Gespräch, und er bekundete sein Interesse, einen Videopart zu drehen, damals war er 18. Ich sagte, dass Kingpin Productions gut zu ihm passen könnte und dass er Snow Summit in Südkalifornien besuchen sollte, als Teil des Burton-Teams für die Transworld Magazine Team Challenge.
Kingpins Hauptkameramann Brad Kremer würde dort sein, sie könnten sich treffen und darüber sprechen, den Winter zusammen auf Reisen zu verbringen und mit Scotty Wittlake und Blaise Rosenthal zu filmen. Wie sich herausstellte, hat Gigi dort gerockt und einen wirklich guten Eindruck auf Brad und die anderen hinterlassen. Brad fragte mich: „Glaubst du, dass Gigi auch im Backcountry fahren kann?“ Ich sagte: „Nun, er ist in den österreichischen Alpen aufgewachsen, wir haben ihn gerade dabei beobachtet, wie er diesen Terrain Park auseinandergenommen hat, also schätze ich, dass er auch ziemlich gut abseits der Piste unterwegs ist.“ Brad gab ihm die Chance, und Gigi drehte einen ganzen Part für Kingpins Destroyer-Film und räumte mit diesem Part den „TWS Rookie of the Year“ Award ab.
Nach dieser ersten Reise nach Kalifornien, reisten Gigi und ich noch zehn Jahre lang zusammen. Er war wie ein kleiner Bruder für mich, und ich tat alles für ihn was ich konnte, als Freund, Teammanager und Fotograf. Letztendlich waren es aber Gigis Talent, seine Kreativität und sein Wille, die seine Snowboard-Karriere voranbrachten. Der Rest von uns, einschließlich der Familie, unterstützten ihn, wo immer wir konnten.
Beim Stichwort „Kinder“ kommen wir nicht mehr an Social Media vorbei. Inwiefern hat IG deinen Job als Fotograf verändert?
Die globale Reichweite, die Social Media Künstlern und Fotografen bietet, ist erstaunlich. Man kann Kinder auf der ganzen Welt inspirieren, indem man einfach auf Knopfdruck positives und inspirierendes Material in Form von Fotos und Videos veröffentlicht. Was wir als Snowboarder tun, kann das Leben der Menschen verändern, ihnen eine Richtung und einen Sinn geben und sie jeden Tag aufs Neue begeistern – die sozialen Medien machen das in Windeseile möglich. Die Kids können die positive Stimmung mitnehmen, sie an ihre Freunde und Familie weiterleiten und so die Vibes aufrechterhalten.
IG hat meine Arbeit als Fotograf dahingehend verändert, dass die meisten meiner Arbeiten digital und nicht mehr in gedruckter Form veröffentlicht werden. Viele Printmedien, an denen ich über die Jahre mitgewirkt habe, haben nach dem Aufkommen von Social Media ihre Produktion eingestellt, was zum Teil auf die Verschiebung von Marketingbudgets zurückzuführen ist. Einige wenige Magazine sind noch am Start, und ich werde sie immer unterstützen!
Als langjähriger Hoffotograf von Burton, hast du mit allen Big Names der Company zusammengearbeitet. Gibt es einen Fahrer, der dich besonders beeindruckt hat?
Jeder einzelne Fahrer, mit dem ich in den letzten zwanzig Jahren gearbeitet habe, hat sich einer Snowboard-Karriere verschrieben – eine wunderbare Gelegenheit, die man sich nicht entgehen lassen sollte, wenn man sich für dieses Leben begeistern kann und das Talent besitzt. Einige sind länger als andere Pros geblieben, und viele sind nach ihrer aktiven Zeit in die Industrie gewechselt, wo sie immer noch den Sport beeinflussen und voranbringen.
In meiner Karriere als Fotograf habe ich zahlreicher Burton-Fahrer als Freund, Mentor und Fotograf miterlebt, so dass es mir schwerfällt, einen Fahrer mit dem anderen zu vergleichen oder eben den einen Favoriten zu bennene. Ich liebe es, die Individualität dieser Athleten zu sehen und zu dokumentieren. Sie sind alle auf ihre Art und Weise Inspiration für mich und brachten bzw. bringen mich persönlich und beruflich weiter.
Du kannst dir eine Location, Support und Equipment wünschen. In welcher Umgebung würdest du ein Shooting realisieren wollen, wer und was sind deine Motive?
Ich war an der Seite eines Hubschraubers festgeschnallt, die Tür war offen, und meine Kamera war auf Ben Ferguson und Mikey Rencz gerichtet, während die beiden eine wunderschöne Line nach der anderen in Alaska fuhren. Ungefähr nach der Hälfte der Session stieg Ben zu mir in den Helikopter mit einem breiten Grinsen im Gesicht, und fragt: „Ist das dein Lieblingsszenario oder was Blotto?!“ Ich sah ihn an, grinste breit und sagte: „F… das ist ein Rausch, ich liebe diesen Scheiß!“ Also ja, an der Seite eines Hubschraubers angegurtet zu sein und in jeden beliebigen Winkel geflogen zu werden, ist etwas ganz Besonderes, ganz ehrlich. Ich habe jedoch einen Weg gefunden, jede Situation beim Snowboarden zu genießen und gleichzeitig überall dort, wo ich fotografiere, in jedem Gelände die gleiche „Erfüllung“ zu finden.
Wenn du anfängst, eine fotografische Situation mit der nächsten zu vergleichen, mit Aussagen wie „…dieser Ort ist größer, also ist er definitiv besser…“, dann denke ich, dass jemand dem Thema nicht gerecht wird. Das ist nicht meine Einstellung und war es noch nie. Mein Ziel ist es, schöne Fotos zu machen, unabhängig von Zeit, Ort und Schneeverhältnissen. Egal, ob es sich um einen kleinen Hügel oder die höchste Bergkette der Welt handelt, ich werde immer mein Bestes geben!
Im Intro für dein „Why in the sky“- Artikel im Slush Magazin, hieß es, dass ein Foto für 1000 Wörter stehen kann, manche auch für 1003 Wörter. Für was stehen die drei zusätzlichen Wörter?
Dean Blotto Gray [lacht]
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